Heute war ein schöner Tag. Bisschen aufregend auch. Ich war auf der re:publica #rp19 eingeladen – in der Denkfabrik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, um dort #workhacks vorzustellen. Im Vorfeld hab ich mich ernsthaft gefragt, was ein Publikum auf der re:publica mit meinem Thema anfangen soll. Minimalinvasive Veränderungen für die Verbesserung der Zusammenarbeit?

Hm, zur Einstimmung hab ich mich auf einigen Vorträgen und Workshops herumgetrieben und mal so reingehorcht. Da wurden große Themen gewälzt: Macht und Kooperation, Digitalisierung und Armut, die Digitalisierungsminsterin von Taiwan (selbst aus der Hacker-Szene) hat über Demokratie und Digitalisierung gesprochen und unzählige weitere Beiträge habe ich verpasst. Ich hab mich natürlich schon vor der Veranstaltung gefragt, wie mein Beitrag in die Digitalisierungsdebatte passt und hätte keine passendere Antwort geben können, als im Flyer der Denkfabrik abgedruckt: „… Eine neue Perspektive ergibt sich dabei aus der noch jungen anthropologischen Kooperationsforschung. Ihr zufolge zeigt sich, dass die Fähigkeit zur Kooperation der eigentliche Erfolgsfaktor der menschlichen Spezies ist.“

Genau das ist meine Überzeugung: Unser Erfolgsfaktor ist die Kooperation. Und im zwischenmenschlichen Bereich haben wir da noch ordentlich Luft nach oben. Meine Thesen heute auf der Konferenz in Kürze: eine verbesserte Zusammenarbeit und Kooperation braucht

  • wiederkehrende Rituale, die gewohnte, ungute Verhaltensweisen ändern. Wir müssen also neues Verhalten ÜBEN, sonst wird das nix.
  • Freiwilligkeit! Niemand, auch ich nicht – oder besser: ich schon gar nicht – lässt sich gern vorschreiben, wie er/sie besser arbeiten sollte. Schon gar nicht auf der zwischenmenschlichen Ebene.
  • Gemeinsamkeit: Veränderung gelingt leichter, wenn man sie im team tut.
  • niedrigschwellig: am besten verändert man erstmal eine kleinere Sache und übt diese und nimmt sich dann die nächste Sache vor.

Aber diese Erkenntnisse sind ja nicht der Clou. Das wissen wir ja längst alles. Die gute Frage, die immer und immer und immer und immer wieder auftaucht ist: WIE geht das denn jetzt? Was genau machen wir morgen anders? Darauf hab ich genau zwei Antworten.

  1. Man nehme gute, erprobte und niedrigschwellige Methoden (wir nennen sie #workhacks) und
  2. man packe diese Methoden in einen auf freiwilligkeit beruhenden Veränderungsprozess.

Ein paar #workhacks gefällig?

  • Fokuszeit – eine Stunde am Tag wird nicht gesprochen, telefoniert, konferiert und nicht reagiert. Agieren ist das Zauberwort. Ganzes Team. Gleiche Stunde.
  • Krötentag – ein Tag im Monat wird das gemacht, was auf der Todo-Liste immer nach hinten verschoben wird – ggf. kann man auch Kröten im Team tauschen.
  • Timeboxing – mit einer Uhr werden Redezeiten in Meetings eingeführt. Für Menschen, nicht Agendapunkte. Man kann erstaunlich viel in 2 Minuten sagen, wenn man vorbereitet ist. Damit konnten Teams ihre Meetings schon erfolgreich zeitlich halbieren.
  • Why talk – jedes halbe Jahr kommt man als Team, Abteilung, Bereich oder gesamte Organisation zusammen und beantwortet folgende Fragen: Warum bin ich hier? Warum bin ich nicht woanders?
  • Feedback-Karte – einmal im Quartal gibt jede*r im Team eine vom Team entwickelte Feedback-Karte an eine Kollegin und bittet somit um Feedback. Dieses Pull-Prinzip verbessert die Akzeptanz des Feedbacks und führt zu mehr Verständnis und Wertschätzung untereinander.

Das waren die #workhacks. Und dann war ja da noch die Frage nach dem freiwilligen Veränderungsprozess. Das kann man sicherlich auf unterschiedliche Art machen. In der Durchführung von bisher ca. 250 Workshops haben wir folgende Einführung als am erfolgsversprechendsten herausgearbeitet:

  1. Wir gehen in ein Team oder eine Abteilung, stellen #workhacks als Konzept vor und fragen, ob das Team mit uns arbeiten will. Wenn mehr als 20% der Anwesenden „Nein“ sagen, gehen wir wieder (diese Abstimmung ist anonym). Wenn sich mehr als 80% dafür aussprechen, entscheidet ein Mehrheitsverfahren darüber, welchen #workhack dieses Team als erstes einsetzen will. Die konkrete Einführung und permanente Anpassung übernehmen zwei Paten aus dem Team, die wir dazu befähigen – und die sich freiwillig melden. Sollte sich niemand als Pate finden, beenden wir den Prozess (ist aber noch nicht vorgekommen. Nur einmal fast…).
  2. Dann kommen wir zwei Monate später wieder in das Team, bieten einen zweiten #workhack an und führen diesen ein.
  3. Wieder zwei Monate später führen wir den dritten #workhack ein.
  4. Beim vierten Termin besprechen wir mit dem Team, wie sie Veränderungen an der Arbeitsweise zukünftig mit dem erlernten System selbst in die Hand nehmen können. Hier führen wir die Retrospektive in dem Team ein.
  5. In den Monaten dazwischen reflektieren wir mit den Paten den bereits eingeführten #workhack und unterstützen bei der Umsetzung und Anpassung.

Das war im wesentlichen mein Vortrag heute auf der re:publica. Ich hab tolles Feedback erhalten und war ganz berührt, dass sich so viele dann doch für konkrete und pragmatische Lösungen interessieren. Danke an alle, die da waren und diese halbe Stunde zu einem echten Highlight für mich gemacht haben! #let’s hack.