Seit acht Wochen coache ich meinen Patensohn. Er ist 22 Jahre alt, hat einen Abi-Schnitt von 1,3 und studiert jetzt irgendwas “Cooles” mit Ethik und BWL. Sein Problem: Er kriegt seinen neuen Alltag nicht organisiert, springt von einem Thema zum anderen, verheddert sich in Kleinkram, steht zu spät auf…

Früher kannten das Phänomen vorwiegend die (ewigen) „Frischlinge“ an der Uni, Corona hat uns nun aber irgendwie alle wieder dazu gemacht. Egal also ob Studi oder nicht: Wer unmittelbar in ein gänzlich neues Umfeld – zum Beispiel das Homeoffice – geworfen wird, verliert sich allzu oft in der hier zu Beginn herrschenden Strukturlosigkeit. Es ist Mittag und du hast noch nichts gegessen? Um 14 Uhr noch im Pyjama? Deine Lungen kennen Frischluft nur noch vom Hörensagen? Und das letzte Schwätzchen mit dem Team ist auch schon Monate her? Ja, da bist du nicht allein. Mit diesen oder ähnlichen Phänomen schlagen sich gerade richtig viele Menschen herum.

Dabei ist es gar nicht so schwierig, sich an neue, mitunter kleine Gewohnheiten, die das Leben erleichtern, zu gewöhnen. Und die sind es, die dir helfen, die Dinge auch in ungewohnten Situationen stets im Griff zu behalten. Mein Patensohn hat zum Beispiel angefangen, einen Wochenplan zu schreiben, und er telefoniert nun jeden Sonntag artig mit seiner Lieblingstante, um zu überprüfen, inwieweit der auch wirklich hilfreich ist oder nochmal angepasst werden muss. Nach Woche 4 haben wir auf diesem Weg gemeinsam herausgefunden, dass er besser täglich plant. Jetzt hat er jeden Tag um 18 Uhr ein 15-Minuten-Meeting mit sich selbst, um den nächsten Tag ins Visier zu nehmen. Damit kommt er viel besser zurecht.

Wiederholung

Die Kraft dieses Gin-o-Clock-Meetings liegt nicht in der guten Idee, sondern vor allem in der Häufigkeit der Anwendung. Das magische Wort ist nicht „Meeting“ oder „Gin“, sondern „täglich“. Der Schlüssel zum Erfolg ist die Wiederholung. Wer selbst einmal eine Gewohnheit verändert hat, weiß, wie schwierig das ist. Und obwohl gute Gewohnheiten maßgeblich zum Erfolg beitragen, lernen wir sie nirgends: weder Zuhause noch in Schule, auch nicht an der Universität oder am Arbeitsplatz. Wir lernen stattdessen Inhalte. Wir lernen das WAS, aber nicht das WIE.

Wenn ich aber auf mich selbst schaue, mein Umfeld anhöre oder in Workshops sitze, dann geht es viel häufiger um die Frage nach dem WIE.

WIE

  • konzentriere ich mich,
  • sortiere ich meine Aufgaben,
  • mache ich Zeitpläne,
  • strukturiere ich meinen Tag,
  • finde ich eine Balance,
  • gebe ich Feedback,
  • löse ich Konflikte?

WIE? WIE? WIE?

WIE ist entscheidend für eine gemeinsame Kultur, gemeinsam erlebte Realität, und das WIE ist somit auch entscheidend für die Herangehensweise an neue Aufgaben wie den Umgang mit steigender Komplexität oder dem ständig wachsenden Nicht-Wissen in der sogenannten Wissensgesellschaft. Das WIE wird wichtiger als das WAS, weil sich das WAS immer schneller und umfassender ändert.

Deshalb brauchen wir eine Strategie für das Immer-wieder-neu-Erlernen des gerade richtigen WIE. Speziell dann, wenn das alte WIE in neuen, unbekannten Situationen nicht mehr passen mag – zum Beispiel jetzt gerade. Man kann kleine, unnachgiebige, kreative und täglich umzusetzenden Hacks aber auch vorbeugend einsetzen, um wach zu bleiben und die eigenen Routinen regelmäßig zu hinterfragen. Hacken kannst du nämlich so ziemlich alles, vom Granatapfelschälen bis zu deinen täglichen Arbeitsroutinen. Probiert man viel aus, fallen einem Gewohnheitsänderungen mit der Zeit auch leichter – und niemand muss dich wie eine Patentante dazu nötigen, endlich das Richtige zu tun, wenn es höchste Eisenbahn ist.

Du kannst übrigens jetzt direkt damit anfangen, denn hier ist der jüngste Neuzugang in meiner Workhack-Liste:

 

Der Video-Mate

Triff dich jetzt gleich per Video mit einer Arbeitskollegin oder einem Arbeitskollegen, erzählt euch gegenseitig, was ihr in der nächsten Stunde schaffen wollt, schaltet einen Timer auf 50 Minuten, und dann geht’s los mit der Arbeit. Ihr schaut euch dabei per Video zu (in den meisten Team-Softwares seid ihr damit auch immun gegen Ablenkungen anderer Kollegen), redet aber nicht miteinander. Der oder die andere ist einfach nur da, so ein bisschen wie im Coworking-Büro, wo alle arbeiten, aber auch nicht miteinander reden. Am Ende erzählt ihr euch dann, was ihr geschafft habt. Das gleicht aus und motiviert, nicht nur dazu, sich immerhin eine Hose anzuziehen.