Die Retrospektive haben wir schon mit einigen Kunden eingeführt.  Josephine Drews von Pure Online,  war in ihrem Team Patin für den #workack Retrospektive – kurz Retro.

Als Patin ist sie in Ihrem Team dafür verantwortlich die Retro durchzuführen, Feedback einzuholen und so anzupassen, dass dieser #workhack zu ihrem Team passt. Das macht sie natürlich nicht alleine. Die #workhacks Berater stehen ihr und dem Team zur Seite. In diesem Fall arbeitet Lydia Schültken mit Pure Online.

Die Retro: Die Retrospektive kommt aus dem Scrum – einem Vorgehensmodell für agiles Projektmanagement. Beim Scrum arbeitet man in kurzen Zyklen und reflektiert regelmäßig die Arbeit und die Zusammenarbeit. Die Retrospektive ist ein Format in dem das Team darüber spricht, was gut läuft und was weniger gut läuft in der Zusammenarbeit. Das ist eines der wenigen, funktionierenden Formate, , in denen wirklich die Zusammenarbeit thematisiert wird. Dies geschieht in einem zweiwöchigen Rhythmus in dem Tacheles geredet wird. Dieser Zwei-Wochen-Rhythmus ist toll, weil sich dann nichts aufstaut, man spricht regelmäßig miteinander. Zu Beginn vielleicht über eher große Themen und dann werden die Themen kleinteiliger – wie bei einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess üblich. Damit ein Team richtig gut miteinander funktioniert, braucht es regelmäßige Reflexionssitzungen und dafür ist die “Retro” unser Flaggschiff bei #workhacks. Wer mehr wissen will, unser Buch enthält ein ganzes Kapitel über die Retrospektive.

#worhacks: Hallo Josephine, ihr habt ja vor ein paar Monaten die Retrospektive eingeführt. Kannst du uns was zum Auswahlprozess erzählen?

Josephine: Ja, klar: das war unser zweiter #workhack – wir hatten davor das Daily Standup eingeführt, das bei uns allen im Team gut ankam. Nach gut zwei Monaten kam also Lydia wieder zu uns ins Team und stellte nochmal kurz die verbleibenden 9 #workhacks vor. Sie hatte uns zu Beginn die Auswahl aus 10 #workhacks gegeben und daraus hatten wir ja schon das Daily umgesetzt. Blieben also 9. Nach kurzer Erläuterung und einem Wahlkampf, wo jede/r Kollege/in in einer Minute sagen konnte, welcher #workhacks aus seiner/ihrer Sicht der allerbeste ist, konnte jeder von uns drei grüne Punkte verteilen für seine Favoriten.

Dabei kam also die Retrospektive heraus – das war der #workhack mit den meisten grünen Punkten.

#worhacks: Und was passierte dann?

Josephine: Dann frage Lydia nach drei Paten, die die Einführung und später auch die Moderation der Retrospektive übernehmen wollten. Ich hab mich schon immer für Kommunikation und Moderation interessiert und hab mich spontan und begeistert gemeldet. Zwei weitere Kollegen fanden sich auch recht schnell.

Dann sind also alle – außer den Paten – wieder an die Arbeit gegangen und Lydia ist mit uns die Retro durchgegangen. Anfangs schien mir das kinderleicht; wir sollten uns alle zwei Wochen zusammensetzen und folgende Dinge diskutieren:

  • was wir in der Zusammenarbeit gut finden und beibehalten wollen
  • was wir in der Zusammenarbeit nicht gut finden und loswerden wollen und
  • was wir Neues in der Zusammenarbeit ausprobieren wollen

#worhacks: Du sagst, es schien dir anfangs kinderleicht. Änderte sich das?

Josephine: Gott, ja, wir haben ja alle drei keine Moderationsausbildung oder ähnliches und hatten schon nach kurzer Diskussion mehr Fragen als Antworten: was machen wir, wenn keiner was sagt? Was machen wir, wenn wir uns nicht auf Lösungen einigen können? Was machen wir, wenn wir plötzlich vor Riesenthemen stehen, denen wir uns nicht gewachsen fühlen? Oder was machen wir, wenn wir selbst zu involviert sind bei einem Thema, das wir auch unsere Meinung sagen wollen? Also Fragen über Fragen. In einigen Dingen konnte Lydia uns gute Tipps geben. Z.B. hat sie gesagt, dass wir auch inhaltlich mitsprechen können, uns aber dann beispielsweise für die Zeit auf einen anderen Stuhl setzen sollen. Dann wissen die anderen, dass das gerade nicht die Moderatorin, sondern ich als Mitarbeiterin spreche.

Oder dass wir bei zu großen Themen immer wieder Fragen sollen, was ein konkreter – auch kleiner Schritt – sei, um das Problem zu lösen. Nicht in Gänze und nicht für alle Zeiten, aber zumindest ein bisschen. Ich hab verstanden, dass der #workhacks-Ansatz auch in der Retro greift: nicht die großen Themen mit großen Lösungsansätzen angreifen, sondern möglichst konkrete und praktische Änderungen finden, die die größte Hebelwirkung versprechen.

#worhacks: Und, hat das funktioniert?

Josephine: Also die erste Retro war ehrlich gesagt nicht so der Knaller (lacht). Ich hab die erste Retro moderiert und mit meinem Moderator-Kollegen vereinbart, dass sie mich unterstützen und z.B. Ergebnisse aufschreiben.

Und dann kam es, wie es kommen musste: es wurde eine Riesenthema auf den Tisch geknallt und in Nullkommanichts waren die Emotionen auf 180. Darauf war ich natürlich nicht gefasst und hab versucht, das Thema greifbarer zu machen. Aber die Kollegen wollten das nicht kleiner machen. Sie haben sich total dagegen gewehrt, nur einen Teilaspekt zu diskutieren. Also haben wir das große Thema diskutiert und uns ist die Zeit aus dem Ruder gelaufen.

Danach durften wir uns anhören, dass man ein solch langes Meeting ja irgendwie unproduktiv findet und dass wir das kürzer machen müssten, sonst würden die Kollegen nicht mehr kommen. Uff, das hatten wir uns so nicht vorgestellt.

Klingt ja auch ein bisschen nach einer undankbaren Aufgabe, oder?

Josephine: Na ja, ist zumindest echt herausfordernd. Wie schon erwähnt, finde ich Kommunikation und damit häufig einhergehende subjektive Perspektiven sehr spannend und versuche, erstmal zu verstehen, was das Interesse ist. Nach der ersten Retro hatte ich den Eindruck, dass kein einheitliches Interesse besteht. Die einen wollen Grundsätzliches diskutieren und sind mehr an der Offenlegung von Themen und Diskussion als an der Lösung interessiert. Die anderen wollen lieber ein kurzes, straff organisiertes Meeting mit klaren Ergebnissen. Ich glaube, das zu verstehen war erstmal gut. Also zu verstehen, dass man es nicht wirklich allen recht machen kann.

#worhacks: Haben das deine Moderationskollegen auch so gesehen?

Josephine: Ja, es war total gut, dass wir zu dritt waren und immer noch sind. Wir hatten jetzt 4 Retros und haben sie immer zusammen vor- und nachbereitet und unsere Wahrnehmungen abgeglichen. Das war superhilfreich und kann ich nur jedem empfehlen. Also ja, meine Kollegen waren auch der Meinung, dass wir da sehr unterschiedliche Erwartungen vor uns haben. Wir haben das dann in einer Retro auch angesprochen und nochmal den Sinn einer Retro skizziert:

  • Fokus auf Veränderbares
  • Kontinuierliche Verbesserung
  • als Team näher zusammenrücken und gemeinsam Probleme lösen
  • Hindernisse transparent machen

Das leuchtete auch jedem irgendwie ein, aber es gab und gibt immer noch Leute, die große Themen ansprechen wollen, ohne den Anspruch auf kurzfristige Lösungen.

#worhacks: Das ist ja ein ziemliches Spannungsfeld – wie habt ihr das jetzt gelöst?

Josephine: Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir große Themen für einen klar definierten Zeitraum diskutieren – 30 Minuten. Wenn wir dann nicht weiter sind, geben wir das Thema dem Management Board. Die diskutieren das in ihrem Jour-Fixe weiter und kommen mit einem Lösungsvorschlag in die nächste Retro. Dazu können sich auch einzelne Mitarbeiter einladen, denen das Thema besonders am Herzen liegt. Diese Lösung fanden alle gut und das probieren wir gerade aus.

#worhacks: Klingt toll. Dann wünschen wir gutes Ausprobieren! Noch eine Frage zum gesamten Prozess. Würdest Du den #workhack wiederwählen mit all diesen Erfahrungen?

Josephine: Auf jeden Fall. Bei der Wahl war mit nicht so klar, welchen großen Einfluss dieser #workhack auf uns als Team haben würde und wie sehr ich in einer neuen Rolle (Moderation) gefordert sein würde. Aber vielleicht brauchte ich diese Naivität zu Beginn auch, um mich damit ganz unbefangen und uneingeschüchtert zu beschäftigen.

#worhacks: Gibt es noch etwas, was Du Teams raten würdest, die kurz vor der Einführung der Retro stehen?

Josephine: Ja, gebt der Retro eine Chance! Egal, wie anstrengend eine Retro auch sein kann, längerfristig trägt sie Früchte. Egal, ob große oder kleine Themen – wenn sie raus sind, sind sie erst einmal raus und zumindest geht es dann einem Teil des Teams besser. Das Team ist gezwungen miteinander zu reden, etwas auszusitzen und einen Raum zu schaffen, der Vertrauen schaffen soll. Je häufiger also eine Retro stattgefunden hat, umso mehr entwickelt sich die Gesprächskultur weiter und eine bessere Vertrauensbasis wird aufgebaut. Das funktioniert! Zu allererst hatten wir Themen gesammelt, sie in ein Google Formular gepackt und dann zur Abstimmung ans Team geschickt. So konnte jede/r anonym eintragen, welche Relevanz (von 1-10, wobei 1 „nicht relevant“ und 10 „sehr relevant“ bedeutet) ein Thema hat. Das Thema mit der höchsten Relevanz wurde dann in der nächsten Retro besprochen. Dieses Formular wird alle 3 Monate neu verschickt, da Themen sich über längere Zeit auch aussitzen, aber auch verhärten können. Es ist also eine gute Methode, um immer „up to date“ zu sein und ein Gefühl dafür zu bekommen, wie die Stimmung aktuell im Team ist.

#worhacks: Liebe Josephine, wir danken Dir für Deine Offenheit und das Gespräch!